Jesus Christus am Kreuz - in unserer Zeit?

Straßburg, 3. November 2009. Sieben Richter des „Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte“ stellten in einem Urteil fest, dass Kreuze in Klassenzimmern angeblich „eine Verletzung des Elternrechtes, die Kinder nach ihren Überzeugungen zu erziehen“ und eine „Verletzung der Religionsfreiheit der Schüler“ darstellten. Die Entscheidung wurde von den sieben Richtern (Françoise Tulkens - Belgien, Ireneu Cabral Barreto - Portugal, Vladimiro Zagrebelsky - Italien, Danutė Jočienė - Litauen, Dragoljub Popović - Serbien, András Sajó - Ungarn und Işıl Karakaş – Türkei) einstimmig gefällt.
Eine Finnin, die in Italien verheiratet ist und die 2002 von der staatlichen Schule, in die ihre beiden Kinder damals gingen, die Entfernung der Kreuze verlangt hatte, war am Widerstand der Schulleitung wie auch an Entscheidungen italienischer Gerichte gescheitert. Mit Unterstützung von Atheistenorganisationen wandte sie sich deshalb nach Straßburg, wo das Europäische Gericht für Menschenrechte nun das erste Urteil zu religiösen Symbolen in Schulklassen erlassen und Italien zur Zahlung von 5000 Euro an die Antragstellerin für „erlittene moralische Schäden“ verurteilt hat.
In Italien und in fast ganz Europa erntete das Urteil bei der Bevölkerung wie auch bei vielen Politikern Widerspruch und Ablehnung. Sogar führende Linke in Italien wandten sich gegen solch groteske Auswüchse der angeblichen Rechtssprechung, die den Anblick eines Erniedrigten und Geschundenen am Kreuz als Verletzung des Menschenrechtes der Betrachter definiert.
Würde man den Gedanken zu Ende denken, dass niemand mehr etwas hören oder sehen darf, was einen nicht erwünschten Denkanstoß auslösen könnte, müsste man auch Kirchen und Denkmäler niederreißen, ja Meinungsfreiheit überhaupt abschaffen – in einer Zeit, die weithin in Kunst, Werbung usw. die Provokation als eigentliches Lebenselixier ansieht, was merkwürdigerweise auch von Gerichten durchaus als positiv und als hinzunehmen beurteilt wird – also ein reichlich lächerlich erscheindener Grundgedanke in der Begründung zum Kreuzesurteil! Erst recht, wenn man vor Augen hat, was einem im öffentlichen Raum sonst an Gewalt, Anti-Kunst und exzessiver Unmoral zugemutet werden darf und durch Gerichtsentscheidungen gedeckt wird! Die angebliche Unzumutbarkeit des Kreuzes, die immer öfter von Gerichten behauptet wird, erscheint vor diesem Hintergrund als völlig unbegründet und unvereinbar mit der sonst üblichen Rechtsprechung. Ganz offensichtlich wird hier der Gleichbehandlungsgrundsatz massiv verletzt, was entsprechende Gerichtsentscheidungen letztlich als Fehlentscheidungen und als rechtlich unzulässig erscheinen lässt! (Ganz abgesehen davon, dass nicht eine Minderheit die Mehrheit davon abhalten kann, für eine positiv-sittliche gesellschaftliche und persönliche Grundhaltung einzutreten, wofür das Kreuz letztlich im öffentlichen Raum auch steht!).
Der Vorsitzende der christdemokratischen Opposition im italienischen Parlament, Pierferdinando Casini bezeichnete das Urteil als „Folge der Ängstlichkeit der europäischen Regierenden, die sich ge-weigert haben, die christlichen Wurzeln in der europäischen Verfassung zu erwähnen. Kein Kreuz in unseren Schulzimmern hat jemals unsere Religionsfreiheit verletzt.“
Landwirtschaftsminister Luca Zaia erklärte: „Ohne Identität gibt es keine Völker und ohne Christentum gäbe es kein Europa. Es ist paradox, dass gerade jene, die das Gemeinwohl schützen müßten, statt dessen unsere Kultur und Zivilisation auszuhebeln versuchen.“
Viele Bürgermeister wie auch andere öffentliche Stellen in Italien besorgten sich infolgedessen Kreuzzeichen und hängten sie in den entsprechenden Räumen nun auf. Das Urteil betrifft in seinem Wortlaut zwar jetzt nur einen konkreten italienischen Fall, doch letztlich ist dieser Urteilsspruch ein Angriff auf das Kreuz in ganz Europa! Dieses und ähnliche Urteile, die wir auch aus Deutschland schon kennen, erinnern an Entwicklungen im 3. Reich und in kommunistischen Diktaturen, wo das Kreuz - und mit ihm sein ethischer Appell an das Gewissen der Menschen! - ebenfalls durch scheingesetzliche Agitation aus der Öffentlichkeit verschwinden musste! Etliche der Richter des fraglichen Urteils sind auch in kommunistischen Milieus in Amt und Würden gekommen, andere stehen jüdischen oder muslimischen Interessensvertretern nahe (http://www.kreuz.net/article.10129.html).
Bei der Verteidigung des Kreuzes geht es aber um mehr als um die bloße Verteidigung eines abendländischen Kultursymbols. Man wird der Bedeutung der Problematik nicht gerecht, wenn man nur versucht, eine heimische Kultur zu schützen, indem man sagt, in öffentlichen Räumen sollten Symbole hängen, die der Kultur des Landes entsprächen, wie man das von Politikern, aber auch von Kirchenmännern, immer wieder gehört hat!
Das Kreuz ist nicht einfach bloß ein Kultur- oder Religionssymbol wie viele andere! Der Gekreuzigte stellt vielmehr jeden Einzelnen vor eine grundsätzlich ethische Frage:
Entscheidet er sich für die Seite der Verbrecher oder für die Seite der Verfolgten, für die Seite der Liebe oder für die Seite des Unrechts, stellt er sich auf die Seite des unumstößlichen Wertes des Guten oder auf die Seite derer, die nur das Nützlichkeitsdenken kennen und immer mit der Masse schreien?
Wenn hier der Einwand kommt, dass in der Geschichte auch schon oft im Namen des Kreuzes Unrecht begangen wurde, so ist dies letztlich kein Argument gegen, sondern eher für das Bild des Gekreuzigten, weil es zeigt, wie sehr der Blick auf Ihn gerade deshalb so notwendig ist, um durch Ihn den immer möglichen Missbrauch von Recht und Gewalt deutlich vor Augen zu haben, was ja die Auseinandersetzung mit dem Prozess und dem Leiden Jesu gerade so dringend gebietet!
Das Kreuz Christi erinnert uns daran, wie leicht jeder einzelne von uns ebenfalls in größte Verbrechen verwickelt werden kann, wenn er sich von Gott und der wahren Liebe, für die wir erschaffen sind, abwendet, wie sehr wir auf die Gnade Gottes angewiesen sind und wie wir angesichts dieser Erkenntnisse auch noch unseren größten Feinden verzeihen sollen und können!
Wir erkennen beim Anblick des Gekreuzigten, dass wir uns bei Unrecht nicht einfach zur Seite wenden oder unsere „Hände in Unschuld waschen“ (vgl. Mt. 27,24) können, und dass wir unsere Augen und unsere Hände gerade für die Notleidenden öffnen müssen.
So ist das Kreuz der Anruf der Liebe Gottes, welcher auch auf unsere Liebe und unseren Einsatz für das Gute wartet. Weshalb soll diese Anfrage an unsere Liebe „unerträglich“ sein, selbst dann, wenn man nicht gläubig ist? Bleibt dieser Appell an die Liebe und an den Einsatz für das Gute nicht immer unendlich wertvoll? Ist er nicht die eigentliche Grundlage für alles menschliche Zusammenleben?
Wenn wir aber gläubig sind, zeigt uns Christus, der gekreuzigte Heiland und Erlöser, noch viel mehr: dass Gott durch Sein Leiden und Seine Liebe den grenzenlosen Hass der Hölle besiegt hat und uns so selbst den Weg der Liebe eröffnet hat, der in Seiner Gnade und Nachfolge selbst angesichts der größten Bosheit und Verlassenheit noch gangbar geworden ist! Dass wir also auch trotz aller Bosheit in der Welt nicht zu verzagen brauchen, weil Gott selbst die Schrecken dieser Bosheit mit uns erduldet und schließlich in Seiner Auferstehung auch besiegt hat! „Tod, wo ist Dein Stachel?“ (1Kor. 15,55).
In diesem Sinn wird das Kreuz Christi für jeden, der aufrichtig und reumütig zu ihm aufblickt, zum Tor des Lebens, das nicht nur das Leben des einzelnen Menschen hier und in alle Ewigkeit ermöglicht und reich macht, sondern auch das Leben ganzer Kulturen und Völker. So gesehen ist das Kreuz natürlich auch ein Quell der Fruchtbarkeit und Lebendigkeit jeder menschlichen Gesellschaft, ohne den auch die weltumgreifende Kraft der christlich-abendländischen Kultur auf sittlichem, religiösem, wissenschaftlichem und künstlerischem Gebiet, die auf Teilgebieten oft gepriesen und nachgeahmt wird und letztlich auf der Wertschätzung jedes Menschen als Ebenbild Gottes durch den leidenden Heiland gründet, undenkbar wäre!
Wer den Anblick Christi am Kreuz nicht ertragen kann, muss sich fragen lassen, ob er entweder durch völlige Desinformation in Vorurteilen oder Engstirnigkeit gefangen ist oder ob er die Liebe selbst aus seinem Leben verbannen will? Denn wofür anders als für die Liebe geht der Blick Christi herab zu den Menschen unter dem Kreuz und was anderes als die Erkenntnis und die Nachahmung der Liebe Christi lehrt der Blick der Christen hinauf zum Kreuz Christi?
Christus will uns aus der Enge und Dunkelheit des lieblosen Denkens und Lebens herausführen! Gottes Weisheit hat es so geordnet, dass Sein Zeichen nicht ein Zeichen der Mächtigen ist, sondern ein Zeichen derjenigen, die verfolgt sind und geschunden werden! Gott hat sich so dem Herzen jedes Menschen, auch der Ärmsten geöffnet! Das Kreuz ist kein Zeichen der Beliebigkeit, sondern des Rufes zur Liebe, was kein anderes Zeichen so klar und deutlich zum Ausdruck bringen kann. Die Liebe, die bereit ist, das Kreuz freiwillig auf sich zu nehmen, kann keine nur „erlogene“ oder nur geheuchelte Liebe sein, wie wir es bei sonstigen Behauptungen von Liebe oft erleben.
Weil das Kreuz das Zeichen der Liebe ist, ist es auch das Zeichen der Erkenntnis des wahren Gottes. Und weil es das Zeichen der Liebe Gottes ist, wird Christus in diesem Zeichen auch wiederkommen zum Gericht. Für die einen kommt die Güte Gottes zur Freude und zur Erlösung, für die anderen, die das Gute und die Liebe mit Füßen getreten haben, wird sie zum Schrecken der Offenbarung ihrer Bosheit im Angesicht der Wahrheit.
Christus warnt uns vor falschen Propheten und Messiassen. Die falschen „Erlöser“, die falschen „Gläubigen” und die falschen „Götter” erkennt man an der Ablehnung des Kreuzes, das uns unseren wahren Herrn und Heiland offenbart: „Willst du erfahren, wie das Kreuz Zeichen des Himmelreichs sein kann? Mit diesem Zeichen wird Christus erscheinen bei seinem zweiten glorreichen Kommen! Damit du erkennst, wie verehrungswürdig das Kreuz ist, hat Er es zum Ruhmeszeichen gemacht... Er wird sogleich allen erscheinen, und niemand braucht dann zu fragen, ob Christus hier oder doch eher dort ist (vgl. Mt 24,26)...
Worauf wir aber achten müssen, ist, ob er mit dem Kreuz kommt... 'Dann werden die Sterne vom Himmel fallen und das Zeichen des Menschensohnes wird am Himmel erscheinen' (vgl. Mt. 24,29).
'Die Sonne wird sich verfinstern und der Mond wird nicht mehr scheinen', das Kreuz jedoch wird erstrahlen, weithin sichtbar, damit du erkennst, dass seine Strahlkraft größer ist als die der Sonne und des Mondes...“
(Hl. Johannes Chrysostomus, 345-407, Priester in Antiochien, später Bischof von Konstantinopel, Kirchenlehrer, Homilie über das Kreuz und den Schächer: „Danach wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen“).
Den wahren Gott und den wahren Christus erkennen wir am Kreuz, das Er aus Liebe zu uns getragen hat. Aber auch Christus wird uns am Kreuz erkennen, das wir Ihm in Liebe nachtragen. Seit den ersten Tagen der Christenheit wurde Christus und Sein Kreuz verspottet und verfolgt. Doch gegen dieses Zeichen der Wahrheit der Liebe Gottes haben alle Seine Feinde nichts vermocht. Ihr Spott und ihre Verfolgung haben die Wahrheit und die Kraft des Kreuzes im Gegenteil immer heller ans Licht treten lassen!
So ist es auch heute! Auch wir brauchen uns des Kreuzes nicht zu schämen! Auch heute ist das Kreuz Christi zwar für viele noch ein Anstoß, den die beschränkte menschliche Natur auf den ersten Blick oft nicht versteht. Für die durch den Heiligen Geist erleuchtete Seele aber ist das Kreuz das Zeichen der Gnade Gottes, die bis heute hier auf Erden unter den Menschen wirksam ist!
Lassen wir die Botschaft unseres gekreuzigten Erlösers auch heute in unserem Leben sichtbar werden, dass die Menschen Jesus Christus, ihren Erlöser, immer besser erkennen und lieben lernen, so wie es uns auch Maria und alle Heiligen immer gelehrt haben! Vielleicht gelingt es dann, auch in Politik und in der Öffentlichkeit wieder klar werden zu lassen, dass Christus, der Gekreuzigte, nie aus dem Leben der Menschen verschwinden kann und darf! „Geliebte, wenn Gott uns so sehr geliebt hat, dann müssen auch wir einander lieben!“ (1Joh. 4,11).

Thomas Ehrenberger


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